Viele Maskotchen des Fediverse laufen eng an eng von links nach rechts. Sie lachen und sind fröhlich

Commons-Institutionen für das Fediverse

Eine Fortsetzung des Diskussionsbeitrags, zu der Frage welche Institutionen das Fediverse braucht, um langfristig erfolgreich zu sein. Es ist der Versuch einer Konkretisierung, was ich mir unter Commons-Institutionen vorstelle.

There’s no Commons without Commoning – Es gibt keine Commons ohne Commoning

Als erstes möchte ich darauf hinweisen, dass sich innerhalb der letzten zehn Jahre die Ansicht über Commons gewandelt hat. Wurde in der Commonsforschung in der Tradition von Elinor Ostrom der Fokus mehr auf Güter und Strukturen der Commons gelegt, Eigentumsformen und ähnliches, so hat sich im deutschsprachigen Raum besonders durch die Arbeit von Silke Helfrich die Ansicht durchgesetzt, dass bei Commons nicht die Objekte der Nukleus der Commons sind, sondern die soziale Praxis darum herum den Wesenskern der Commons ausmachen. Das wird mit dem Wort Commoning ausgedrückt. Commoning ist ein Verb, ein Tätigkeitswort.

Wo wir herkommen. Technikbubble

In der Technikbubble stehen seit jeher Maschinen und die Begeisterung für technische Prozesse im Vordergrund. Als Beleg ziehe hier Amateurfunker:innen heran, die es seit den etwa 1920er Jahren gibt. Dort stand schon immer die Technikbegeisterung im Vordergrund und weniger die Kommunikation, die darüber ablaufen kann. So ähnlich ist auch das Verständnis und Verhältnis vieler IT-Nerds zum Gegenstand Computer, Computernetzwerke und Software. Spaß am Gerät und Programmieren.

Zweifellos kann die Beschäftigung mit IT und Netzwerken einen Selbstzweck haben und die eigenen Bastelbedürfnisse befriedigen. In der Auswahl seiner Hobbies soll jede:r frei entscheiden. Das sollte aber nicht dazu führen, dass man die Punkte verkennt, wo und ab wann das hobbymäßige Handeln den reinen Selbstzweck verlässt und eine Wichtigkeit von Außen erfährt. Mein Vorwurf an die IT-Szene in Bezug auf das Fediverse ist, dass sie zu oft Projekte zur freien Verfügung stellt, die zwar einem Selbstzweck gerecht werden, aber nicht einer Verantwortung, die im Kontext des Anderen auftreten. Technikzentrismus blendet das Soziale aus.

Der Fokus auf technische Protokolle, Server, Hard- und Software ist zu wenig. Das ist gerade in digitalen Sozialen Netzwerken ein Problem. Die Nerds wollen spielen, die Anderen wollen kommunizieren, interagieren, ernsthaft nutzen. Der Fokus – so meine Kernthese – muss weg von der Technik hin zu sozialen Praktiken. Praktiken, die uns Menschen als biologischen Wesen gerecht werden. Hin zu einer für alle bedürfnisorientierten Technik- und Technologieentwicklung. Die zarten Pflänzchen zu mehr Menschlichkeit, die es in der deutschsprachigen Fediverse-Community gibt, begrüße ich sehr.

Wer wir sind. Miteinander sprechen. Commoning als soziale Praxis

Eines der Wesensmerkmale der menschlichen Natur ist, das wir miteinander sprechen. Das sollten auch wir Fedinaut:innen untereinander tun, also jene, die das Fediverse nutzen. Bisher haben Softwareentwickler:innen und Instanzbetreiber:innen besonders viel Macht. Sie haben die Entwicklung von einzelnen Instanzen, gar dem Fediverse als ganzem Netzwerk, dominiert. Nicht technisch versierte Nutzer:innen hatten bisher nicht viele Möglichkeiten ihre Bedürfnisse kund zu tun. Heißt es doch immer noch oft, „’… schreib ein Git-Comment’“ oder „’eröffne ein ‘Issue’ …’“. Die meisten Nutzer:innen überfordert das. Ihnen fehlt das Know-How. Die meisten Teilnehmer:innen sind eben nicht auf Augenhöhe mit den Administrator:innen und Entwickler:innen.

Beim Commoning geht es darum, alle Nutzer:innen auf einer Instanz mit in die Entscheidungsprozesse einzubinden. Das heißt nicht, dass jede:r Einzelne für jedes Detail ihre/seine Stimme erheben muss, aber die Möglichkeit erhält, gehört zu werden, und zwar gleichrangig, auf Augenhöhe. Der Technik-Guru, der oder die Admin:a muss dazu vielleicht ein bisschen vom hohen Ross runter und technisch Unbedarfte müssen sich vielleicht ein bisschen mehr mit der technischen Seite ihrer Diensteanbieter beschäftigen. Wie es beim Demolition Man mit Silvester Stallone und Wesley Snipes heißt; „Die einen werden ein bisschen dreckiger und die anderen ein bisschen sauberer“. Veränderungen ‚von oben herab‘ sind jedenfalls kein Commoning. Wer als Instanzbetreiber:in seine/ihre Instanz langfristig betreiben will, tut gut daran Räume zu schaffen, wo ein barrierearmes Zusammenkommen möglich ist.

Was neben dem miteinander Reden ebenso zur sozialen Praxis des Commoning gehört, ist ein fortlaufender Prozess der Selbstreflextion und Neuausrichtung. Commoning ist ein rollender Stein, der die Richtung ändern kann. – Das verknüpfen wir einmal mit dem Problem der Maintenance (Pflege und Wartung), das so viele Instanzbetreiber:innen haben. – Entscheidungen werden von Nutzer:innen gemeinsam getroffen. Die Entscheidungen erhalten dadurch eine wesentlich bessere Akzeptanz und Wertigkeit unter den Nutzer:innen. In Umsetzungsprozesse werden Nutzer:innen miteingebunden. Hinzu kommt, dass sich Verantwortlichkeiten auf viele Schultern verteilen.

Ich möchte an dieser Stelle auf die sieben bzw. acht Design-Prinzipien von Elinor Ostrom verweisen.

Commons-Institutionen für das Fediverse wären gut

Ich würde mir wünschen, dass wir im Ganzen, aber hier auch im Kleinen von der Dichotomie wegkommen: Hier der/die Admin:a auf der anderen Seite die Nutzer:innen. Eine als Commons-Institution gedachte Fediverse-Instanz ist eine selbst verwaltete Institution, bei der alle Nutzer:innen ohne Zwänge beitragen können, sich untereinander auf Augenhöhe begegnen und wertschätzend miteinander umgehen. Kosten und Risiken werden gemeinsam getragen.
Wer jetzt zum Ende dieses zusätzlichen Beitrag nach eingetragener Verein, Genossenschaft etc. schielt, dem möchte ich deutlich sagen, dass dies weit weit nach hinten verlagert gehört. Bei Commoning und bei Commons geht es um lebendige Beziehung untereinander. Das ist der Nukleus, der Kern.

Schluss

Ich denke, dass dieser zusätzliche Artikel zum Diskussionsbeitrag „Welche Institutionen braucht das Fediverse“, dazu beiträgt, besser zu verstehen, was ich mit Commons-Institutionen meine.

Beitragbild: „Banner“ von David Revoy − CC-BY 4.0
Text: „Commons-Institutionen für das Fediverse“ von tunda unter CC BY-SA 4.0

Berlin, 06.07.2024, tunda